Sektorübergreifende Optimierung der Versorgungsqualität am Beispiel der Beinprothetik
Jährlich erfolgen etwa 60.000 Amputationen in Deutschland. Zur umfassenden Wiederherstellung der Steh- und Gehfähigkeit der Betroffenen durch Versorgungen mit Prothesen müssen mehrere intermittierende Meilensteine erreicht werden, die nicht nur von individuellen Heilungsverläufen, sondern maßgeblich auch von der Erfahrung und dem engen Austausch des Behandlungsteams abhängen. Hierbei entwickelt sich ein oft langwierig geführter Rehabilitationsprozess, der zunehmend unter intersektoralen Informationsverlusten im Übergang von stationärer zu ambulanter Versorgung, wie auch von der Akutbehandlung zur Rehabilitationsphase und zurück leidet. Der Betroffene sieht sich mit einer Vielzahl von Akteuren im Versorgungsprozess konfrontiert, die sich oft weder untereinander noch mit ihm selbst im umfassenden Informationsaustausch befinden. Erschwerend kommen zu dieser Situation die regulatorischen Aspekte der Medical Device Regulation (MDR) auf europäischer Ebene hinzu, die verbindlich eine explizite Evaluation der eingesetzten Medizinprodukte einfordern. Sonderanfertigungen wie Prothesen oder Orthesen, sowie andere orthopädische Hilfsmittel sind in ein umfassendes Risikomanagementsystem aufzunehmen, welches hinsichtlich Sicherheit und Nutzen einer klinischen Bewertung zu unterziehen ist, ohne dass hierfür bereits klare Prüfstandards definiert wären.
In diesem Projekt soll ein digital vernetztes Dokumentationswerkzeug erstellt werden, welches es allen am Versorgungsprozess von beinamputierten Menschen beteiligten Berufsgruppen der einzelnen Sektoren und Bereiche ermöglicht, anamnestische und medizinische Daten, sowie Daten zu Therapie und orthopädietechnischer Intervention einzupflegen, als auch über eine mobile Messeinrichtung funktionelle alltags- und leistungsorientierte Daten zu erfassen, die eine objektive Erhebung von Mobilität und gesellschaftlicher Teilhabe des Betroffenen im Sinne einer klinischen Bewertung des Hilfsmittels erlauben.
Dieses Dokumentationswerkzeug soll es mittelfristig ermöglichen,
- die ambulant erbrachten Leistungen strukturiert im Netzwerk zu erfassen und zu bewerten,
- die Vernetzung zwischen ambulanten Leistungserbringern (Hausarzt, Physiotherapie, Orthopädietechnik) zu analysieren,
- die Versorgungsqualität in Abhängigkeit von patientenspezifischen Faktoren und in Bezug auf Inklusion und Teilhabe zu erheben, sowie
- die Versorgungssituation im Sinne einer Nachbeobachtung, wie sie auch in der MDR gefordert ist, durch Stichproben bei Patienten und den vorgenannten Leistungserbringern zu bewerten.
Projektträger
Ministerium für Soziales, Gesundheit und Integration, Baden-Württemberg
Eine Kooperation von
Universitätsklinikum Heidelberg (UKHD), Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie und
Fraunhofer IPA Stuttgart, Abteilung Biomechatronische Systeme